Ikterus (Gelbsucht)

Ikterus, im Volksmund als Gelbsucht bekannt, bezeichnet eine Gelbfärbung von Haut, Schleimhäuten und Augen (Sklera), die durch eine erhöhte Konzentration von Bilirubin im Blut verursacht wird. Diese Farbveränderung entsteht, wenn sich Bilirubin, ein Abbauprodukt des Hämoglobins aus roten Blutkörperchen, im Körper ansammelt. Ikterus ist kein eigenständiges Krankheitsbild, sondern ein Symptom für zugrunde liegende gesundheitliche Probleme, die den Bilirubinstoffwechsel betreffen.

Symptome des Ikterus

Das Hauptsymptom des Ikterus ist die Gelbfärbung der Haut, der Augen und in schweren Fällen auch der Schleimhäute. Diese Gelbfärbung kann leicht oder ausgeprägt sein, je nach Schweregrad und Dauer der Erhöhung des Bilirubins. Zusätzliche Symptome können auftreten, abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung:

  • Dunkler Urin: Da überschüssiges Bilirubin über die Nieren ausgeschieden wird, kann der Urin eine dunkle Färbung annehmen.
  • Heller Stuhl: Der Stuhl kann ungewöhnlich hell werden, da das Bilirubin im Darm den Stuhl normalerweise braun färbt.
  • Juckreiz: Bilirubinablagerungen in der Haut können zu einem quälenden Juckreiz führen.
  • Müdigkeit und Schwäche: Viele Patienten mit Ikterus fühlen sich müde und haben eine reduzierte Leistungsfähigkeit, insbesondere bei chronischen Lebererkrankungen.
  • Gewichtsverlust und Appetitlosigkeit: Bei längerem Verlauf und insbesondere bei malignen Erkrankungen wie Leber- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs kann es zu Gewichtsverlust und Appetitlosigkeit kommen.
  • Bauchschmerzen: Bei bestimmten Ursachen des Ikterus, wie z. B. Gallensteinen oder Leberentzündungen, können starke Schmerzen im rechten Oberbauch auftreten.

Krankheitsbilder als Ursache für Ikterus

Ikterus kann in drei Hauptkategorien eingeteilt werden, basierend auf der Ursache der Störung des Bilirubinstoffwechsels: prähepatischer, intrahepatischer und posthepatischer Ikterus.

1. Prähepatischer Ikterus

Beim prähepatischen Ikterus liegt das Problem vor der Leber, meist in einer übermäßigen Hämolyse (Abbau von roten Blutkörperchen). Hierdurch entsteht eine erhöhte Menge von Bilirubin, die die Leber nicht vollständig verarbeiten kann. Dies führt zu einem Anstieg des unkonjugierten Bilirubins im Blut.

Mögliche Krankheitsbilder:

  • Hämolytische Anämien: Hierzu zählen erbliche Erkrankungen wie die Sichelzellanämie und die Thalassämie sowie autoimmune hämolytische Anämien. Auch Infektionen wie Malaria können eine Hämolyse und damit einen prähepatischen Ikterus verursachen.
  • Neugeborenenikterus: Bei Neugeborenen kann es zu einer erhöhten Hämolyse kommen, die zu einem physiologischen Ikterus in den ersten Lebenstagen führt. In schweren Fällen kann eine Blutgruppenunverträglichkeit zwischen Mutter und Kind (z. B. Rhesus-Inkompatibilität) zu einem gefährlichen Anstieg des Bilirubins führen.

2. Intrahepatischer Ikterus

Der intrahepatische Ikterus entsteht durch Erkrankungen der Leberzellen (Hepatozyten) selbst oder durch Störungen im Gallengangssystem innerhalb der Leber. Diese Erkrankungen führen zu einer Beeinträchtigung der Bilirubinaufnahme, -konjugation oder -ausscheidung.

Mögliche Krankheitsbilder:

  • Hepatitis (Leberentzündung): Virale Hepatitis (wie Hepatitis A, B, C) und autoimmune Hepatitis können die Leberzellen schädigen und dadurch zu Ikterus führen.
  • Leberzirrhose: Diese chronische, fortschreitende Schädigung der Leber führt zu Narbenbildung und Funktionsverlust der Leberzellen. Häufige Ursachen sind chronischer Alkoholmissbrauch, Hepatitis B oder C sowie Fettlebererkrankungen.
  • Leberkarzinom: Primäre Lebertumore wie das hepatozelluläre Karzinom oder Metastasen anderer Tumore können den Bilirubinstoffwechsel stören.
  • Toxische Schädigungen: Verschiedene Medikamente, Gifte (z. B. Amanitapilze) oder Alkohol können zu einer akuten Schädigung der Leber führen.
  • Fettlebererkrankungen: Nicht-alkoholische Fettlebererkrankungen (NAFLD) und alkoholische Fettleber können ebenfalls die Leberzellen beeinträchtigen und zu Ikterus führen.
  • Erbkrankheiten: Krankheiten wie das Gilbert-Syndrom und das Crigler-Najjar-Syndrom beeinträchtigen die Bilirubinkonjugation in der Leber und führen zu chronischem Ikterus.

3. Posthepatischer Ikterus

Posthepatischer Ikterus entsteht durch eine Blockade der Gallenwege, die den Abfluss der Galle verhindert und zur Anhäufung von konjugiertem Bilirubin im Blut führt. Diese Blockaden können durch mechanische Hindernisse oder Entzündungen der Gallenwege verursacht werden.

Mögliche Krankheitsbilder:

  • Gallensteine: Steine in den Gallenwegen können den Abfluss der Galle blockieren und zu einem posthepatischen Ikterus führen. Dies ist oft mit plötzlichen, starken Schmerzen im rechten Oberbauch verbunden.
  • Tumoren: Tumore der Bauchspeicheldrüse (insbesondere das Pankreaskarzinom), der Gallenblase oder der Gallengänge (Cholangiokarzinom) können den Gallenabfluss behindern und zu Ikterus führen.
  • Pankreatitis: Entzündungen der Bauchspeicheldrüse können zu einer Verengung oder Blockade der Gallengänge führen.
  • Primär sklerosierende Cholangitis: Diese chronische Entzündung der Gallengänge kann zu einer fortschreitenden Verengung der Gallengänge und damit zu posthepatischem Ikterus führen.

Prävention von Ikterus

Die Prävention von Ikterus hängt von der Vermeidung der zugrunde liegenden Ursachen ab. Einige allgemeine Maßnahmen zur Vorbeugung sind:

1. Vermeidung von Lebererkrankungen

Lebererkrankungen wie Hepatitis, Leberzirrhose und Fettleber können zu Ikterus führen. Um diese zu verhindern, sollten folgende Maßnahmen beachtet werden:

  • Impfschutz: Impfungen gegen Hepatitis A und B können das Risiko von Leberentzündungen und damit Ikterus erheblich senken.
  • Alkohol in Maßen: Exzessiver Alkoholkonsum ist eine der Hauptursachen für Leberzirrhose. Ein bewusster Umgang mit Alkohol kann dazu beitragen, Lebererkrankungen zu vermeiden.
  • Gesunde Ernährung und Bewegung: Eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung tragen zur Vorbeugung von Fettlebererkrankungen bei. Der Konsum von zucker- und fettreichen Lebensmitteln sollte begrenzt werden.
  • Vorsicht bei Medikamenten und Giften: Übermäßiger Gebrauch von Medikamenten wie Paracetamol, die die Leber belasten, sowie der Kontakt mit leberschädigenden Substanzen (z. B. industriellen Chemikalien) sollten vermieden werden.

2. Vermeidung von Gallenwegserkrankungen

Gallensteine und andere Erkrankungen der Gallengänge können ebenfalls zu Ikterus führen. Hier sind einige Maßnahmen zur Vorbeugung:

  • Fettreduzierte Ernährung: Eine fettreiche Ernährung erhöht das Risiko von Gallensteinen. Eine ausgewogene Ernährung mit einem moderaten Fettgehalt kann das Risiko senken.
  • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr: Eine ausreichende Hydration hilft, die Bildung von Gallensteinen zu verhindern, indem die Galle verdünnt wird.
  • Gewichtsmanagement: Übergewicht erhöht das Risiko für Gallensteine, daher ist es wichtig, ein gesundes Körpergewicht zu halten.

3. Prävention von Hämolytischen Erkrankungen

Bei Menschen mit bekannten genetischen Erkrankungen, die zu hämolytischer Anämie führen, ist es wichtig, Triggerfaktoren zu vermeiden (z. B. Infektionen oder bestimmte Medikamente), die Hämolyse auslösen können.

Therapie von Ikterus

Die Behandlung von Ikterus richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache und der Schwere des Symptoms. Folgende Therapieoptionen stehen zur Verfügung:

1. Behandlung der Ursache

Die wichtigste Therapie bei Ikterus besteht darin, die zugrunde liegende Ursache zu behandeln:

  • Hämolytische Anämien: In schweren Fällen können Bluttransfusionen, Kortikosteroide oder Immunsuppressiva erforderlich sein, um die Hämolyse zu stoppen.
  • Hepatitis: Die Behandlung von viraler Hepatitis umfasst antivirale 

Medikamente (z. B. bei Hepatitis B und C) oder symptomatische Behandlungen bei Hepatitis A, die von selbst ausheilt. Bei autoimmuner Hepatitis werden Immunsuppressiva eingesetzt, um die Entzündungsreaktion zu kontrollieren. Bei toxischen Leberentzündungen muss der Kontakt mit dem auslösenden Stoff (z. B. Alkohol oder Medikamente) sofort gestoppt werden.

  • Leberzirrhose: Die Behandlung der Leberzirrhose zielt auf die Verlangsamung des Fortschreitens der Erkrankung ab. Dazu gehören der Verzicht auf Alkohol, die Behandlung der zugrunde liegenden Ursache (z. B. antivirale Therapie bei Hepatitis) und die Behandlung von Komplikationen wie Aszites, Blutungen oder Enzephalopathie. In fortgeschrittenen Fällen kann eine Lebertransplantation erforderlich sein.

  • Leber- und Gallenwegstumoren: Die Behandlung von Tumoren hängt von ihrer Art, Größe und Lokalisation ab. In manchen Fällen sind chirurgische Eingriffe erforderlich, um den Tumor zu entfernen. Chemotherapie und Strahlentherapie können ebenfalls eingesetzt werden, besonders bei inoperablen oder metastasierenden Tumoren.

2. Unterstützung der Leberfunktion

Bei vielen Formen von Ikterus, insbesondere bei Lebererkrankungen, ist es wichtig, die Leber zu entlasten und ihre Funktion zu unterstützen. Dazu gehören:

  • Ernährungsumstellung: Eine leberfreundliche Ernährung mit leicht verdaulichen Nahrungsmitteln, reichlich Obst und Gemüse und wenig tierischen Fetten kann die Leber entlasten.
  • Verzicht auf Alkohol und lebertoxische Substanzen: Alkohol und Medikamente, die die Leber schädigen könnten, sollten unbedingt vermieden werden.

3. Chirurgische Eingriffe

Bei posthepatischem Ikterus aufgrund von Blockaden in den Gallengängen, wie z. B. durch Gallensteine oder Tumoren, können chirurgische Eingriffe notwendig sein, um den Gallenabfluss wiederherzustellen. In diesen Fällen werden häufig folgende Verfahren angewendet:

  • ERCP (Endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie): Diese endoskopische Methode kann verwendet werden, um Gallensteine zu entfernen oder Stents in die Gallengänge einzusetzen, um Blockaden zu beseitigen.
  • Cholezystektomie: Bei wiederkehrenden Gallensteinen kann die chirurgische Entfernung der Gallenblase erforderlich sein.

4. Phototherapie bei Neugeborenenikterus

Bei Neugeborenen mit Ikterus, insbesondere bei Frühgeborenen, kann die Phototherapie eingesetzt werden. Diese Methode nutzt spezielles Licht, um Bilirubin in eine wasserlösliche Form zu zerlegen, die leichter über den Urin ausgeschieden werden kann.

5. Transfusionen und Austauschtransfusionen

In schweren Fällen von hämolytischer Anämie oder Neugeborenenikterus kann eine Bluttransfusion notwendig sein, um die Bilirubinwerte zu senken und die Blutzellen zu ersetzen. Bei Neugeborenen mit extrem hohen Bilirubinwerten kann eine Austauschtransfusion notwendig sein, um das Bilirubin schnell aus dem Blut zu entfernen.

Langfristige Prognose und Ausblick

Die langfristige Prognose bei Ikterus hängt stark von der Ursache ab. Bei vorübergehenden Erkrankungen wie viraler Hepatitis oder gut behandelbaren Ursachen wie Gallensteinen ist die Prognose in der Regel gut, sofern die Ursache rechtzeitig erkannt und behandelt wird. Bei chronischen Lebererkrankungen wie Zirrhose oder Leberkrebs ist die Prognose hingegen abhängig von der Schwere der Erkrankung und der Möglichkeit zur Behandlung, etwa durch eine Lebertransplantation.

Quellen

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